Erkunde "Projekt INZELL" - ein Forschungsprojekt 

Eine Industriezelle mit Inselnetzfähigkeit und Erneuerbaren Energien soll Netzstützung und Systemdienstleistungen bringen

Das Projekt INZELL (INdustrieZELLe) umfasst ein Forschungsprojekt über Netzstützung¹­­ und Systemdienstleistungen² erbracht durch eine Industriezelle³ mit Inselnetzfähigkeit und Erneuerbaren Energien. Es wurde 2020 gestartet und läuft bis Ende 2023. Die Industriezelle ist in diesem Fall der Industriebetrieb „Firmengruppe Max Bögl“ in Deutschland, Sengenthal.

Max Bögl ist in den Bereichen Mobilität, Erneuerbare Energien, Wohnbau, Hochbau und Infrastruktur aktiv. Die Firmengruppe zählt mit über 6.500 hoch qualifizierten Mitarbeiter:innen an weltweit 40 Standorten und einem Jahresumsatz von über 2 Mrd. Euro zu den größten Bauunternehmen der deutschen Bauindustrie.

Technische Daten der Energiezelle Max Bögl

Ausdehnung

  • 30 Kilometer Mittelspannungsnetz
  • 25 Trafostationen
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Verbraucher

  • Spitzenlast: 6,3 MW (Spitzenlast Deutschland gesamt = 65 bis 70 GW an einem normalen Tag)
  • Stromverbrauch pro Jahr: 25,5 GWh (entspricht dem durchschnittlichen Energiebedarf einer Stadt mit ca. 30.000 Einwohner:innen)
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Erzeuger

  • Erzeugungsspitze:10,5MW
  • Jahreserzeugung:25,5GWh
  • Windenergieanlagen:9,6MW
  • Photovoltaik-Dachanlagen: 2,5 MW
  • 1,5 MW schwimmender PV-Park
  • BHKW-Dampfmotor: 0,4 MW
  • Batteriespeicher: 2,5 MW/2,25 MWh
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Projekthintergrund

Auf Seiten der Industriebetriebe erfordern die zunehmend kostensensitiven Fertigungsprozesse eine hohe Zuverlässigkeit der Stromversorgung . Gleichzeitig entstehen jedoch durch die Verdrängung von Großkraftwerken offene Flanken im Bereich der Systemsicherheit, insbesondere bei:

  • der Blindleistung im Übertragungsnetz, wo trotz Zunahme der Vorhaltung steigende Defizite im Blindleistungshaushalt für die Zukunft vorhergesagt werden
  • der Momentanreserve, die nicht mehr systemimmanent in vielen Erzeugungs- und Bezugsanlagen vorhanden ist und
  • dem Netzwiederaufbau, der bislang mittels Großkraftwerken geplant ist.
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Viele Betriebe verfügen inzwischen bereits über eine Eigenerzeugung, um unabhängiger von Strombezugskosten zu sein. Bedeutender wird auch der Aspekt der Eigenabsicherung bzw. der höheren Versorgungsqualität werden, da sowohl länger andauernde Versorgungsausfälle als auch Spannungseinbrüche des öffentlichen Versorgungsnetzes zu hohen Kosten durch Produktionsstillstand und Schäden führen können.

Im Rahmen des Forschungsprojektes werden Untersuchungen angestellt, die offene Fragen und Forschungsaspekte rund um das optimierte Zusammenspiel unterschiedlicher Energie-Erzeugungsanlagen, -Speicher und -Lastmanagementsysteme behandeln. Dabei soll zum Einen ein Inselnetzbetrieb der Industriezelle Max Bögl im Falle von Versorgungsunterbrechungen ermöglicht werden. Zum Anderen soll dazu beigetragen werden, die Stabilität⁴ des öffentlichen Stromnetzes kostengünstiger sicherstellen zu können. Industriebetriebe sollen so zunehmend zum Schlüsselbaustein für eine erfolgreiche und kostengünstige Umsetzung der Energiewende werden.

Das Ziel des Projektes ist es eine automatisierte Anlageneinsatzplanung sowie einen Netzmanager (Industrierechner mit diversen Netz-Steuerprogrammen) zu entwickeln. Netzmanager und automatisierte Anlageneinsatzplanung gemeinsam bieten neue Möglichkeiten zur Erbringung von Systemdienstleistungen und damit zur Netzstützung durch die Industriezelle von Max Bögl. Darüber hinaus soll mit mehreren Feldversuchen der Inselnetzbetrieb für den Fall erprobt werden, dass das externe Versorgungsnetz zusammenbricht.

Wie kam es zur Projektteilnahme von OMICRON?

OMICRON Engineering Services (OES) hat bereits vor Projektbeginn einige Male Schutzeinrichtungen im Netz von Max Bögl geprüft. Mit OES stellt OMICRON seinen Kunden einen weltweiten Dienstleistungsprozess zu Verfügung, der sie bei der Planung, Inbetriebnahme und Instandhaltung von Anlagen der Sekundärtechnik unterstützt.

Außerdem führt OES Netzberechnungen durch und berechnet Schutzeinstellungen. Da war es naheliegend, dass OES die aus dem Forschungsprojekt resultierenden Schutzeinstellungen nochmals verifiziert, sozusagen um eine Zweitmeinung einzuholen. Zusätzlich wird OES im Rahmen eines Auftrages von Max Bögl die Schutzgeräte parametrieren und gegebenenfalls Anpassungen an der Gerätehardware bzw. den Austausch von Schutzgeräten durchführen. Zu guter Letzt wird OES bei den Feldversuchen vor Ort sein, um helfen zu können, falls Probleme auftreten sollten.

Projektpartner

Forschung und Projektmanagement:

Ostbayerische Technische Hochschule (OTH) Regensburg
Technische Universität München (TUM)
Technische Universität Clausthal (TUC)

Industriepartner:

Max Bögl Wind AG
Intilion GmbH

Assoziierte Partner:

Bayernwerk Netz GmbH
Bredenoord BV
Siemens Gamesa Renewable Energy GmbH & Co. KG.
OMICRON Engineering Services

Aktueller Projektstatus

Es werden Messungen durchgeführt, um die Reaktionen der verschiedenen Elemente des Netzes – z.B. Solarwechselrichter – zu erfassen und korrekt in die Simulationen einbinden zu können. Zum Beispiel, wie schnell reagiert ein Wechselrichter auf neu erteilte Vorgaben bezüglich Blind- und Wirkleistung? Dabei werden auch Latenzzeiten in den verschiedenen verwendeten Kommunikationsnetzen erfasst, um sie entsprechend bei der Leistungsregelung des Inselnetzes einplanen zu können. Die Simulationsmodelle sind damit kurz vor ihrer Fertigstellung.

Mit den fertiggestellten Simulationsmodellen wird im nächsten Schritt das aktuelle Anlagenschutzkonzept überprüft und gegebenenfalls angepasst. Ebenso wird das entworfene Regelkonzept für den Inselnetzbetrieb im Rahmen unterschiedlicher Szenarien untersucht, bevor es bei den Feldversuchen in der Praxis erprobt werden kann. 

Aktuell wird an einem Testaufbau für das Inselnetz mit verschiedenen Komponenten des späteren Netzes geprüft, ob das erstellte Konzept umsetzbar ist und die zugrunde liegenden Annahmen über das Regelverhalten verschiedener Komponenten korrekt sind.

Für die Feldversuche am echten Werksnetz laufen diverse Vorbereitungen:

  • Das Batteriespeichersystem wurde um die notwendige netzbildende Funktionalität für den Inselnetzbetrieb erweitert
  • Installation von Messeinrichtungen im Werksnetz für die Feldversuche
  • Entwicklung einer Anlageneinsatzplanung und eines Lastprognosetools für den Netzparallelbetrieb abgeschlossen
  • Installation des Netzmanagers (Industrie-PC) und Anbindung an die Kommunikationsnetze im Werksnetz der Fa. Max Bögl
     
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Im Teil 2 der Artikelserie zum „Projekt INZELL“ (verfügbar im OMICRON Magazin Ausgabe 2/2023) bekommen Sie mehr detaillierte Informationen zum Gesamtprojekt, den Aufgaben der Projektbeteiligten sowie unerwarteten Herausforderungen mit denen man bei Projektstart nicht rechnen konnte.

Mit interessanten Artikeln, Interviews und Branchennews halten wir Sie über die neuesten Trends und Entwicklungen in der Branche auf dem Laufenden.

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Fachtermini

¹Netzstützung 

Das Netz wird durch die Stromerzeugungsanlage gestützt.

²Systemdienstleistungen (SDL)

Dienste die Stromnetzbetreiber zur Verfügung stellen, um die Funktionstüchtigkeit und Versorgungsqualität der Elektrizitätsversorgung zu gewährleisten. Dies sind Dienste, die Stromnetzbetreiber neben der Übertragung und Verteilung elektrischer Energie zusätzlich erbringen, wie zum Beispiel:

  • Netzfrequenzhaltung
  • Spannungshaltung
  • Versorgungswiederaufbau
  • Betriebsführung / Netzengpassmanagement
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³Industriezelle

eine Energiezelle innerhalb eines Industriebetriebs, hier der Industriebetrieb Firmengruppe Max Bögl mit seiner kompletten Versorgungskette und der Fähigkeit durch interne Erneuerbare Energieerzeugungsanlagen als Inselbetrieb autark zu funktionieren, also falls im Störfall das externe Versorgungsnetz zusammenbricht/wegfällt.

⁴Definition Stabilität und Stabilität unterstützen

Es geht darum die Möglichkeiten der diversen Wechselrichter, die ohnehin im Werksnetz vorhanden sind (PV, Windkraft, Batterie) so auszunutzen, dass sie dem Netzbetreiber dabei helfen die Stabilität gewährleisten/aufrecht erhalten zu können. Die Wechselrichter stellen dann z.B. während einem Kurzschluss im Netz Blindleistung zur Verfügung um die Netzspannung zu stützen.

 

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